War die „Katholische Frauenorganisation Österreichs“ (KFO) antimodern? Ein Beitrag zur katholischen Frauenvereinszeitschrift „Elisabeth-Blatt“ und zur Positionierung der KFO Oberösterreich in den Jahren 1934–38 zu Fragen der Modernität, Frauenerwerbsarbeit und -emanzipation.
Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts
befand sich die katholische Kirche in heftigen Auseinandersetzungen mit
liberalen Strömungen, in denen sie „Gefahren der Moderne“ sah.[1]
Papst Pius X., der „Papst des Anti-Modernismus“[2],
bekräftigte den Gedanken, die Kirche müsse sich vor diesen Gefahren schützen.
Der Begriff „Antimoderne“, wie er in diesem Blogbeitrag verstanden wird, umfasst
mehr als der eher theologisch interpretierte „Antimodernismus“ der Kirche. „Antimodern“
zu sein bedeutete für viele katholische Frauen in der Zwischenkriegszeit, alle Bedrohungen,
die die althergebrachte Gesellschaftsordnung gefährden würden, abzulehnen. Dazu
gehörte alles, was Modernität und Fortschritt signalisierte, so auch
Frauenemanzipation und außerhäusliche Erwerbsarbeit.
Reaktionäres Frauenbild
Das Bild von Frauen in großen Teilen der KFO war rückwärtsgewandt. Im Fokus stand das Ideal der katholischen Hausfrau und Mutter, die mit ihrer „selbstaufopfernden Tätigkeit in der Familie gegen die Moderne ankämpfen sollte.“[3] Es ging hierbei nicht nur darum, sich der Liberalisierung gesellschaftlicher Normen entgegenzustellen. Auch gegen die moderne industrielle Arbeitsorganisation wurde gekämpft, die eine Trennung der Handlungsräume von Frauen in einen Bereich der profitorientierten Erwerbsarbeit und einen der bedürfnisorientierten Familie bedeutete.[4] Dies bestärkte die katholische Kirche in ihrer Angst vor dem Sittenverfall und wurde als Gefahr für Ehe und Familie – die „Keimzelle des Volkes“ – betrachtet.[5]
Katholische Frauenorganisationen (KFO)
Der Zusammenschluss katholischer Frauen ab dem Ende des 19. Jahrhunderts diente dazu, sozialdemokratischen und anderen liberalen Weltanschauungen auch organisatorisch etwas entgegensetzen zu können.[6] Die katholische Kirche erkannte, dass Frauen gebraucht wurden, um im Kampf gegen Säkularisierung und liberalen Antiklerikalismus mitzuarbeiten.[7]
Durch die Vereinigung der KFOs im 1907 gegründeten Dachverband „Katholische Reichsfrauenorganisation Österreichs“ (KRFOÖ) sollte das Bild eines starken, gemeinsamen Auftretens vermittelt werden. Die KRFOÖ und ihre Landesorganisationen in den Bundesländern (KFOs) dienten als Abwehrorganisationen gegen die gefürchtete moderne Sittenlosigkeit und die Abkehr vom katholischen Glauben.[8]
Kirche und Politik
Es bestand bereits eine lang andauernde Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche und der österreichischen Politik. Durch die Verbindung des Klerus mit dem katholischen Vereinswesen und der Christlichsozialen Partei begann die Herausbildung des Politischen Katholizismus bereits im 19. Jahrhundert.[9] In den Jahren 1934 bis 1938 wurde die Kirche ein wesentlicher Bestandteil des Regimes, durch strukturelle und personelle Ressourcen ebenso wie durch die ideologische Untermauerung des austrofaschistischen Herrschaftssystems.[10] Neben der katholischen Presse hatten vor allem katholische Vereine eine tragende Rolle.[11]
Elisabeth-Blatt
Welche antimodernen Ansichten zu den Themen Frauenemanzipation, Frauenerwerbsarbeit und Modernität wurden konkret verbreitet? Das „Elisabeth-Blatt“, das Vereinsorgan der KFO OÖ, erschien von 1906 bis 1938 monatlich und sollte unter anderem „Antworten auf alle Lebensfragen“[12] bieten. Oberösterreich wurde deshalb als Fallbeispiel gewählt, da 1925 Fürstin Fanny Starhemberg die Präsidentschaft der KRFOÖ übernahm und den Sitz nach Linz verlegte. So stiegen Einfluss, Mitgliederzahlen und Reichweite der KFO OÖ im landesweiten Vergleich.[13]
Engel der Familie
Besonders stark wurde die Bedeutung von Frauen für das Wohl der Familie, aber auch des Volkes, betont:
„Engel der Familie! […] Herz der Familie! […] Wo dieses Herz abwesend ist – wehe der Familie! Der Mann verödet und darbt, so er nicht ganz sinkt, die Kinder hungern und entbehren, was das spätere Leben ihnen nie mehr ganz geben kann […] – und am großen Organismus des Ganzen ist solch ein Versagen eines Gliedes als Vibrieren zu spüren, so anzeigend, daß Ordnung gestört wurde […].“[
Dr. Emanuele Meyer, Ein wichtiges Wissen. In: Elisabeth-Blatt Nr. 1, 29. Jg. (Jänner 1934), 9.
Ohne die Arbeit von Frauen – in ihrer Rolle als Hausfrau, Ehefrau und Mutter – würde nicht nur die Familie nicht mehr funktionieren, sondern auch die Gesellschaft im Gesamten Schaden nehmen.
Öffentlich oder privat?
Frauen wurde – sowohl von der katholischen Kirche als auch von der Christlichsozialen Partei – die Politikfähigkeit abgesprochen. Aufgrund der im Katholizismus angenommenen „gottgewollten“ Wesensunterschiede von Frauen und Männern galten politisches Engagement und außerhäusliche Erwerbsarbeit von Frauen als etwas, das den natürlichen weiblichen Aufgaben widersprach.[14]
In der Analyse des „Elisabeth-Blattes“ zeigt sich die Ambivalenz der prinzipiell starr vorgegebenen Rollen und der tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten von Frauen. Einerseits erfolgte darin eine starke Betonung der Bedeutung von Frauen als „Herz der Familie“, die rein im privaten Bereich ihre Leistung für die Gesellschaft erbringen sollten. Wegen der Notwendigkeit, gegen ideologisch Andersdenkende und die steigende Abkehr von der katholischen Kirche vorzugehen, konnten Frauen aber auch politisch und teilweise gut sichtbar in der Öffentlichkeit agieren. Die Arbeit gegen den Sittenverfall, die Sozialdemokratie und andere Gegner der katholischen Kirche rechtfertigte so den Einsatz von Frauen in für sie sonst „unpassenden“ Bereichen:
„So ist des Weibes und der Hausmutter Mission wie die starke Dominante, die vom Einzelhaushalt seelisch und real in Arbeit und Tat durch alles private und öffentliche Leben hindurchzuklingen hat […].
Meyer, Ein wichtiges Wissen, 10.
Männer-Arbeit vs. Frauen-Arbeit
Grundsätzlich wurde das Thema Frauenerwerbsarbeit nicht allzu ausführlich im „Elisabeth-Blatt“ behandelt. Ging es um die Frage der Berufswahl, so wurde nur eine Handvoll Berufe als für die weibliche Jugend geeignet erachtet. Deren Berufstätigkeit sollte allerdings nur bis zur Ehe dauern. Auffallend ist jedoch, dass Haus- und Pflegearbeit eindeutig als Arbeit verstanden, und zum Teil auch mit außerhäuslicher Erwerbstätigkeit – „Männer-Arbeit“ – verglichen wurde.
Fazit
Frauenbildung und -erwerbsarbeit fanden im „Elisabeth-Blatt“ kaum Erwähnung. Emanzipation, (politische) Gleichstellung oder eine individuelle Lebensgestaltung passten nicht in das katholische und antimoderne Frauenbild. Auch Freizeitaktivitäten wie Theater- oder Kinobesuche wurden als „leer“ oder verkommen abgelehnt, ebenso Luxus in jeder Form oder die aktuelle Mode. Das „Elisabeth-Blatt“ war im Vergleich mit einigen anderen katholischen Frauenzeitschriften konservativer. Abseits von Familie, Ehe und Kindern wurden den Leserinnen des „Elisabeth-Blattes“ kaum individuelle Themen zugesprochen.
Anmerkungen
[1] Vgl. Rudolf Zinnhobler, Die katholische Kirche im 20. Jahrhundert. Aufbrüche und Umbrüche. In: Michaela Sohn-Kronthaler, Rudolf K. Höfer (Hg.), Laien gestalten Kirche. Diskurse – Entwicklungen – Profile. Festgabe für Maximilian Liebmann zum 75. Geburtstag (Theologie im kulturellen Dialog Bd. 18, Innsbruck/Wien 2009), 95–107, 96.
[2] Peter Neuner, Modernismus und Antimodernismus. In: Katholischer Akademikerverband Österreichs (Hg.), actio catholica. Zeitschrift für Akademiker Heft 4 (Wien 1977), 12–19, 12.
[3] Irene Bandhauer-Schöffmann, Der „Christliche Ständestaat“ als Männerstaat? Frauen- und Geschlechterpolitik im Austrofaschismus. In: Emmerich Tálos, Wolfgang Neugebauer (Hg.), Austrofaschismus. Politik, Ökonomie, Kultur 1933-1938 (Wien 62012), 254–280, 255.
[4] Vgl. Ebd., 254.
[5] Vgl. Irene Bandhauer-Schöffmann, Gottgewollte Geschlechterdifferenzen. Entwürfe zur Restrukturierung der Geschlechterdichotomie in der Konstituierungsphase des „Christlichen Ständestaats“. In: Brigitte Lehmann (Hg.), Dass die Frau zur Frau erzogen wird. Frauenpolitik und Ständestaat (Wien 2008), 15–61, 15.
[6] Vgl. Michaela Kronthaler, Die Frauenfrage als treibende Kraft. Hildegard Burjans innovative Rolle im Sozialkatholizismus und Politischen Katholizismus vom Ende der Monarchie bis zur „Selbstausschaltung“ des Parlaments (Graz/Wien/Köln 1995), 36.
[7] Vgl. Gabriella Hauch, Frauen. Leben. Linz. Eine Frauen- und Geschlechtergeschichte im 19. und 20. Jahrhundert (Linz 2013), 105.
[8] Vgl. Kronthaler, Frauenfrage, 40.
[9] Vgl. Ernst Hanisch, Der Politische Katholizismus als ideologischer Träger des „Austrofaschismus“. In: Emmerich Tálos, Wolfgang Neugebauer (Hg.), Austrofaschismus. Politik – Ökonomie – Kultur 1933–1938 (Wien 62012), 68-86, 70.
[10] Vgl. Nina Kogler, Religiös fundierte Geschlechterverhältnisse im austrofaschistischen Österreich. In: Femina Politica. Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft, Jg. 21.1 (2012), 29–40, 29.
[11] Vgl. Gerhard Schultes, Der Episkopat und die katholischen Organisationen in der Ersten Republik (Wien 1978), 3.
[12] Ohne VerfasserIn, St. Elisabeth bittet. In: Elisabeth-Blatt Nr. 1, 32. Jg. (Jänner 1937), 4.
[13] Vgl. Gabriella Hauch, Vom Frauenstandpunkt aus. Frauen im Parlament 1919 –1933 (Studien zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte 7, Wien 1995), 334.
[14] Vgl. Kronthaler, Frauenfrage, 119.
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