Zeitgenössische Medien und ein passendes Ein- bzw. Absatzkonzept trugen dazu bei, die Schreibmaschine zu einem weiblichen Büroinstrument zu machen, obwohl sie das keineswegs hätte werden müssen. Historische Zeitungsartikel und -inserate bilden diese Entwicklung zwischen 1875 und 1914 anschaulich ab.
Am Beginn der Schreibmaschinenproduktion stand ausgerechnet der Waffenhersteller Remington, der nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs neue Produktlinien für seine frei gewordenen Kapazitäten suchte. In Europa galt das Maschinenschreiben jedoch lange als Kuriosität.[1]
Der Etablierungsprozess der Schreibmaschine auf dem europäischen Markt wurde von strategischen Maßnahmen ermöglicht, die den Vorbehalten der männlichen Angestellten und Arbeitgeber entgegenwirken sollten. Diese klagten besonders über die hohen Anschaffungskosten, die mangelnde Haltbarkeit bzw. Authentizität der Maschinenschrift, die unwesentliche Zeitersparnis, die Unhandlichkeit des Gerätes sowie die geistlose Tätigkeit des Tippens.[2] Die neue Technologie verunsicherte die Zeitgenossen, da sie die Kulturtechnik des Schreibens für „jedermann“ reproduzierbar machte und den zuvor männlich konnotierten Raum der Verwaltungsarbeit nachhaltig für Frauen öffnete.[3]
Wirkmächtige Werbebilder
In der bildlichen Repräsentation der Schreibmaschine fand von Beginn an eine weibliche Konnotation des beworbenen Objekts statt, da bevorzugt Sujets gewählt wurden, die Frauen, wie in den folgenden Inseraten, an der Schreibmaschine zeigten.
Ergänzend kamen weitreichende Werbemaßnahmen, wie Vermittlungskurse, Produktvorführungen, Schnellschreibwettbewerbe, Leasing- und Probekaufmodelle zum Einsatz. Durch die bildliche Inszenierung des Instruments schlugen diese implizit die Bedienung der Schreibmaschine durch Frauen vor. Dieses Personalkonzept entsprach dem Wunsch der Arbeitgeber nach Kostenminimierung und Effizienzsteigerung, sowie der Absatzorientierung der Schreibmaschinenproduzenten, da Frauen u.a. aufgrund ihrer limitierten formalen Bildungsmöglichkeiten und vermeintlich geringeren finanziellen Verpflichtungen (sie galten als familiär versorgt, ihr Einkommen lediglich als Zuverdienst) deutlich niedriger entlohnt wurden.[4]
Dementsprechend sind in diesen Annoncen junge, adrett gekleidete Frauen zu sehen, die ohne große Anstrengung eine Schreibmaschine bedienen und dabei ein gut lesbares Schriftstück produzieren bzw. in Händen halten. Die Sitzposition erinnert an die einer Klavierspielerin. Im beigestellten Text werden die Vorzüge des Geräts, wie einfache Bedienung, solide Verarbeitung, handliches Format, mehrjährige Garantie etc. angepriesen. Zusätzlich werden im dritten Inserat eine Demonstration in betriebseigenen Räumen sowie Ratenzahlungs- und Probekaufmodelle angeboten, um die angepriesenen Einsatzmöglichkeiten im Alltag kennenzulernen.
Körperlichkeit(en) der Schreibmaschine
Eine Vielzahl an Zeitungsartikeln und Werbeanzeigen präsentierte Frauen, aufgrund ihrer angeblich „natürlichen“ Eigenschaften, als besonders geeignet für (einfache) Schreibtätigkeiten. Die sukzessive standardisierten Routineabläufe im Büro wurden folglich als äußert passend für Frauen erachtet, da sie deren vermeintlich naturgegebenen Anlagen besonders entsprächen.[5]
Dazu zählten u.a. eine gewisse Begeisterungsfähigkeit für reproduktive und eintönige Tätigkeiten, besondere Fingerfertigkeit, Fleiß, Anmut, adrettes Auftreten, Ordnungsliebe etc. Diesbezügliche Erwähnungen in zeitgenössischen Medien machten die Kenntnisse, die sich die Verwenderinnen der Schreibmaschine aneignen mussten, nicht als professionelle Qualifikationen sichtbar, sondern schrieben sie spezifisch weiblichen Eigenschaften zu. Damit ging die zeitgenössische Sichtweise einher, dass die Kompetenzen, welche Frauen im Zuge der Bürorationalisierung erwarben, geschlechtsspezifische Attribute seien, weshalb die Frauen auch deutlich schlechter entlohnt wurden als ihre männlichen Kollegen im Büro.[6]
Allerdings wurde unmissverständlich darauf hingewiesen, dass diese „natürliche“ Begabung zum mechanischen Tippen nicht mit der Fähigkeit verwechselt werden dürfe, literarisch wertvolle Texte zu schreiben, worauf auch diese Karikatur verweist. In dieser Darstellung scheint der deutlich ältere Mann die mechanische Schreibtätigkeit der Frau ebenfalls nicht besonders wertzuschätzen, da er das Tippen als „copieren von fremden Gedanken“ bezeichnet. Zudem belästigt er das „Schreibfräulein“ auch noch mit unangemessenen Zudringlichkeiten.[7]
Erfahrungen von Frauen an Büroarbeitsplätzen
Eine Enquete aus dem Jahr 1896 zeichnete ebenfalls ein wenig romantisches Bild. Der weibliche Büroalltag schien von monotonen Schreibarbeiten, niedriger Bezahlung und selbstverständlichem Überstundenableisten geprägt gewesen zu sein. Ein Schreibfräulein antwortete auf die Frage, ob sie Zusatzstunden bezahlt bekomme:
Nein, der Chef pflegt das so aufzufassen, als ob das eine Gefälligkeit unsererseits wäre; er bedankt sich dafür sehr liebenswürdig, aber entlohnt wird man nicht.[8]
Insbesondere Karikaturen veranschaulichen den Umgang mit einer anderen zeitgenössischen Problematik: (sexuelle) Ausbeutung. Schließlich umfasste das Bild der Büroarbeiterinnen in der Presse nicht nur ihre Fähigkeiten, sondern imaginierte auch ein bestimmtes körperliches Erscheinungsbild und Verhalten. Jedoch kam es dadurch, wie das folgende Beispiel zeigt, weniger zu einer Kritik als zu einer Fortschreibung der historischen Gegebenheiten. Etikettierungen, wie jene der „koketten Tipmamsell“, verfestigten sich dadurch nachhaltig und gingen mit einer gewissen Normalisierung dieser Stereotype einher.[9]
Auch auf diesem Bild sind ein älterer Mann und eine jüngere Frau an der Schreibmaschine zu sehen, wobei letztere lächelnd über die Schulter blickt, als ihr der Mann ans Kinn greift und sich zu ihr hinunterbeugt. Missgünstig beobachtet wird die unangemessene Annäherung von einem männlichen Angestellten, der an einem Nebentisch handschriftlich tätig ist. Gekrönt wird die Inszenierung durch die Notiz darunter, die darauf verweist, dass das dargestellte ‚Fräulein‘ ihren jüngeren Verlobten ihrem vermeintlichen Vorgesetzten gegenüber bevorzuge.[10]
Die Ambivalenz, mit der sich Frauen auf Büroarbeitsplätzen konfrontiert sahen, wurde hier sehr pointiert in Szene gesetzt. Einerseits galten sie als schlecht bezahlte Konkurrentinnen, die zumindest bis zu ihrer Heirat zur Entwertung der bisherigen Schreibtätigkeiten beitrugen und die Arbeitsatmosphäre im Büro beeinträchtigten. Andererseits wurden sie aufgrund ihres Geschlechts mit fragwürdiger Aufmerksamkeit ihrer Vorgesetzten „belohnt“, was wiederum mit der Herabsetzung ihrer moralischen Integrität einherging.[11]
Auch in den zeitgenössischen Gerichtsrubriken finden sich Schilderungen solcher Belästigungen und Übergriffe. Häufig missbrauchte ein Vorgesetzter seine Position, um sich den meist jüngeren Stenotypistinnen „unsittlich“ zu nähern. Die Strafen dafür erscheinen nach heutigem Ermessen gering. 1907 erhielt ein Wiener Kaufmann etwa 24 Stunden Arrest, weil er ein 16jähriges Schreibfräulein am ersten Arbeitstag unzüchtig berührte.[12] Die einschneidenden Konsequenzen solcher Handlungen, wie illegitime Schwangerschaften und gesellschaftliche Stigmatisierung, hatten die betroffenen Frauen zu tragen.[13]
Wechsel- und Nachwirkungen
Die Etablierung der Schreibmaschine als innovative Bürotechnologie zeigt die Konstruktion von weiblichen Tätigkeiten anhand gesellschaftlicher und historischer Entwicklungslinien anschaulich auf. Eine Vielzahl von pressehistorischen Quellen weist darauf hin, dass die weibliche Konnotation des Berufsbildes des Bürofräuleins nicht durch tatsächliche, sondern durch gezielt eingesetzte Zuschreibungen von Weiblichkeit entstanden ist. Diese Etikettierungen dienten dazu, die Schreibmaschine durch ein entsprechendes Personaleinsatzkonzept am Büroarbeitsplatz gesellschaftlich akzeptabel zu machen.
Anmerkungen
Titelbild: Werbeannonce für eine Schreibmaschine 1912. Quelle: ANNO.
[1] Vgl. Delphine Gardey, Schreiben, Rechnen, Ablegen. Wie eine Revolution des Büros unsere Gesellschaft verändert hat, Konstanz 2019, S. 98.
[2] Vgl. Stefan Nellen, Mechanisierte Sekretäre. Verwaltung im Zeichen der Schreibmaschine. In: Peter Becker (Hg.), Sprachvollzug im Amt. Kommunikation und Verwaltung im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts, Bielefeld 2011, S. 248f.
[3] Vgl. Birgit Bolognese-Leuchtenmüller, „Der Zwang der Freiwilligkeit“. Zur Ideologisierung der „Frauenerwerbsfrage“ durch Politik, Wissenschaft und öffentliche Meinung. In: Birgit Bolognese-Leuchtenmüller, Michael Mitterauer (Hg.), Frauen-Arbeitswelten, Wien 1993, S. 179; Delphine Gardey, Ein Blick zurück. Zur Geschichte der Frauenarbeit. In: Beate Krais, Margaret Maruani (Hg.), Frauenarbeit, Männerarbeit. Neue Muster der Ungleichheit auf dem europäischen Arbeitsmarkt, Frankfurt am Main 2001, S. 53.
[4] Vgl. Gardey 2019, S. 94f; Waltraud Heindl, Josephinische Mandarine, Bürokratie und Beamte in Österreich. Band 2: 1848-1914, Wien 2013, S. 150.
[5] Vgl. Karin Gottschall, Frauenarbeit und Bürorationalisierung. Zur Entstehung geschlechtsspezifischer Trennungslinien in großbetrieblichen Verwaltungen, Frankfurt am Main 1990, S. 138f.
[6] Vgl. Gardey 2001, S. 48, 52f.
[7] Karikatur zur Sklavin an der Schreibmaschine. In: Wiener Caricaturen, 20. Jg., Nr. 16 (15. April 1900), S. 8.
[8] Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Wiener Lohnarbeiterinnen. Ergebnisse und stenographisches Protokoll der Enquete über Frauenarbeit abgehalten in Wien vom 1. März bis zum 21. April 1896. (Wien 1897), S. 581.
[9] Vgl. Regine Gildemeister, Soziale Konstruktion von Geschlecht: „Doing gender“. In: Sylvia Marlene Wilz (Hg.), Geschlechterdifferenzen – Geschlechterdifferenzierungen. Ein Überblick über gesellschaftliche Entwicklungen und theoretische Positionen, Wiesbaden 2008, S. 173.
[10] Die Tipmamsell. In: Wiener Caricaturen, 29. Jg., Nr. 29 (18. Juli 1909), S. 9.
[11] Vgl. Gardey 2001, S. 40; Heindl 2013, S. 152.
[12] Vgl. Gerichtssaal. Der Unternehmer als Verführer. In: Arbeiter-Zeitung, 19. Jg., Nr. 234 (27. August 1907) S. 8.
[13] Vgl. Susanne von Paczensky, Die häßliche Wirklichkeit macht häßliche Gefühle. Feministische Analyse und Selbstuntersuchung. In: Renate Sadrozinski (Hg.), Grenzverletzungen. Sexuelle Belästigung im Arbeitsalltag, Frankfurt 1993, S. 69f.
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