It’s a man’s world? Diplomatengattinnen auf dem Westfälischen Friedenskongress

Auf den ersten Blick erscheint der Westfälische Friedenskongress (1643–1649) als eine reine Männerveranstaltung. Viele der Gesandten wurden aber von ihren Ehefrauen begleitet. Diese eröffneten informelle Kommunikationswege und trugen so zum Funktionieren des Kongresses bei.

Beschwörung der Ratifikation des Friedens von Münster am 15. Mai 1648, Gerard ter Borch, 1648, Rijksmuseum Amsterdam. Quelle: Wikimedia Commons.

Diplomatie und insbesondere Friedensverhandlungen in der Frühen Neuzeit erscheinen zunächst als eine reine Männerwelt; diesen Eindruck vermitteln gerade auch die zeitgenössischen bildlichen Darstellungen zum Westfälischen Friedenskongress. Gerard ter Borchs bekanntes Gemälde vom niederländisch-spanischen Friedensschluss etwa zeigt ausschließlich Männer.

Auch unter den Gesandtenportraits, die für die Rathäuser von Münster und Osnabrück zur Erinnerung angefertigt wurden, finden sich nur Männer. Lediglich unter den Portraits der Herrschenden sind zwei Frauen vertreten: Königin Christina von Schweden und Landgräfin Anna Amalia von Hessen-Kassel, die als Regentin für ihren minderjährigen Sohn auftrat. Alle offiziellen Gesandten in Münster und Osnabrück waren jedoch Männer.[1]

Sie waren nach Westfalen geschickt worden, um die Konflikte, die als Dreißigjähriger Krieg bekannt sind, beizulegen.[2] Fast ganz Europa – Frankreich, Spanien, Schweden, die Niederlande, der Kaiser und die Reichsstände, um nur die Hauptverhandlungsparteien zu nennen – war in diesen ursprünglich reichsinternen Konflikt verwickelt. Alle Versuche, nur zwischen einzelnen Konfliktparteien Frieden zu schließen, waren gescheitert. Der Westfälische Friedenskongress war der erste internationale Gesandtenkongress dieser Größenordnung und damit diplomatisches Neuland.

Friedensverhandlungen als Männerveranstaltung?

Aber handelte es sich bei dem Kongress wirklich um eine reine Männerveranstaltung? Die Forschung hat in den letzten Jahren gezeigt, dass frühneuzeitliche Diplomaten nicht nur ausführende Organe ihrer jeweiligen Dienstgeber:innen waren, sondern eigenständige Akteure. Sie hatten eigene Interessen, waren u.a. auch Ehemänner und Väter. Als solche wurden viele Gesandte von ihren Ehefrauen und Kindern nach Westfalen zu den Friedensverhandlungen begleitet.

Diese fehlen jedoch auf den diplomatischen „Familienbildern“ des 17. Jahrhunderts. Für das Verständnis der Verhandlungssituation und des Kongresses in seiner Funktionsweise sind sie aber wichtig. Nicht zuletzt, weil die meisten anwesenden Gesandten mehrere Jahre von zu Hause fort waren. Dabei war zu Beginn des Kongresses nicht klar, wie lange es dauern würde und ob er nicht, wie frühere Versuche, scheitern würde. Wenn die Gesandten also nicht von ihren Familien begleitet wurden, waren sie von ihren Ehefrauen und Angehörigen getrennt, was sich durchaus auf ihr Wohlbefinden auswirkte.

Der kurbrandenburgische Gesandte Johann Friedrich von Löben etwa beklagte sich bei seinem Patron am Berliner Hof: „Die andern Abgesandten haben meistlich alle ihre Eheschätze bei sich. […] Ich aber weiß kein Rhatt, bin zwar schoen bei Jharen, empfinde doch gleichwhol zu Zeitten ein Verlangen nach der meinigen. Im Sommer gehet es noch hin, aber im Wintter wirdts zu kalt sein, alleine zu schlaffen.“[3]

Frauen als informelle Akteurinnen

Die Rolle der Diplomatengattinnen beschränkte sich allerdings nicht nur auf die der Begleiterin, die für das Wohlbefinden ihres Ehemannes sorgte und an den gesellschaftlichen Aktivitäten teilnahm. Eine solche Betrachtungsweise greift zu kurz und blendet die Bedeutung informeller Akteur:innen aus.

Die Forschungen der letzten Jahre hat für den Hof gezeigt, dass Fürsten und Fürstinnen sowie Diplomaten und ihre Ehefrauen zumeist als Arbeitspaare agierten.[4] Den Frauen standen oft andere (weiblich dominierte) Netzwerke zur Verfügung als ihren Ehemännern, z. B. zu den Fürstinnen. Gerade die informelle Natur ihrer Handlungsmöglichkeiten erlaubte es, etwa Angelegenheiten unverbindlich vorzubringen, bevor offizielle Verhandlungen eingeleitet wurden.[5]

Der Westfälische Friedenskongress als besonderer Handlungsraum

Nun funktionierte aber ein Friedenskongress anders als ein Hof: Er war von zeitlich begrenzter Dauer und wurde nicht von einer:m Herrscher:in mit Hofstaat dominiert. Alles gesellschaftliche Leben musste erst organisiert werden, die zeremoniellen Regeln des Miteianders ausverhandelt werden. Das heißt, auch die informellen Räume und Kommunikationskanäle mussten erst gefunden werden.

Diplomatengattinnen spielten bei der Schaffung und Gestaltung dieser informellen Kommunikationswege eine wichtige Rolle. Der portugiesische Gesandte Sousa Coutinho beispielsweise beklagte die Abwesenheit seiner Ehefrau, weil diese ihm Kontaktmöglichkeiten zu den Ehefrauen der niederländischen Gesandten eröffnet hätte.[6]

Das Mittagessen als Ort diplomatischer Konflikte

Wie wichtig solche informellen Kontakte waren und wie sie funktionierten, zeigt das Beispiel des kaiserlichen Gesandten Johann Maximilian Graf von Lamberg und des kurbrandenburgischen Gesandten Johann VIII. Graf von Sayn-Wittgenstein. Deren Ehefrauen Judith Rebecca Eleonore Gräfin von Lamberg und Anna Augusta Gräfin zu Waldeck waren eng befreundet. Lamberg notierte regelmäßig, dass sich die Ehepaare gegenseitig zum Essen besuchten.[7]

Was bei diesen gemeinsamen Mahlzeiten besprochen wurde, ist nicht überliefert. In Einzelfällen lässt sich aber der Kontext rekonstruieren. Im Jänner 1646 etwa speisten Lambergs bei Sayn-Wittgensteins, wobei sich die Herren heftig über die schwedischen Gebietsforderungen stritten. Lamberg selbst notiert dieses Treffen in seinem Diarium ohne weitere Anmerkungen. Von dem Streit erfahren wir aus Berichten Dritter.[8]

Die Anwesenheit der Ehefrauen gab der Situation einen informellen Anstrich, der es ermöglichte, Dinge zu sagen, die in einem anderen Kontext vielleicht einen Affront dargestellt hätten. Gleichzeitig sicherten sie den Kontakt: Die Gräfin Sayn-Wittgenstein speiste nur wenige Tage später bei Lambergs und auch Graf Lamberg selbst war bald wieder beim Ehepaar Sayn-Wittgenstein zu Gast.[9] Natürlich gab es auch andere Möglichkeiten solche Räume der Informalität herzustellen, z.B. bei Gratulations- und Kondolenzbesuchen, bei Kirchgängen oder Ausflügen in die Umgebung.[10] Wie diese verschiedenen informellen Settings zusammenspielten, ist noch zu untersuchen.

Diplomatengattinnen als Interessenvermittlerinnen

Wiederholt wurden Diplomatengattinnen auch als Interessenvermittlerinnen eingeschaltet. Wenn die üblichen Wege, die eigenen Interessen vorzubringen und durchzusetzen, erschöpft schienen, wandten sich die Gesandten mitunter an die Ehefrauen ihrer Verhandlungspartner. Gerade, wenn deren Ehemänner sich als unzugänglich erwiesen und beispielsweise einen Gesprächstermin verweigerten, boten die Ehefrauen eine Kontaktmöglichkeit.

Anne de Bourbon Duchesse de Longueville, after Anselmus Van Hulle, c. 1648 © The Trustees of the British Museum. Quelle: Wikimedia Commons

Deutlich zeigt sich dies beispielsweise anhand von Anne Geneviève de Bourbon-Condé duchesse de Longueville, Ehefrau des französischen Gesandten Henri d’Orléans duc de Longueville,[11] die zudem als Mitglied des französischen Königshauses die ranghöchste Person überhaupt am Kongress war und entsprechende Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Bischof von Osnabrück wandte sich etwa mit der Bitte an sie, sich für den Erhalt dreier Hochstifte und gegen deren Säkularisierung bei ihrem Mann einzusetzen, was diese auch tat.

Inwieweit die Intervention der Ehefrauen sich tatsächlich auf das Verhandlungsgeschehen auswirkte, ist meist den Quellen nicht zu entnehmen. Klar ist aber, dass sie durchaus in das Verhandlungsgeschehen einbezogen waren und an informellen Gesprächen ihrer Ehemänner teilnahmen, wie bei gemeinsamen Mahlzeiten.

Wie verbreitet diese Einflussnahme von Diplomatengattinnen auf Friedenskongressen war, über welche weiteren Handlungsmöglichkeiten sie verfügten und wie sich diese von denen am Hof unterschieden, bedarf weiterer Forschungen. Hierfür müssen auch spätere Friedenskongresse untersucht werden. Während die (diplomatischen) Handlungsspielräume von Frauen am Hof immer mehr Aufmerksamkeit erhalten, fehlen ähnliche Untersuchungen für Friedenskongresse fast vollständig. Bereits jetzt ist aber klar, dass sie wesentlich dazu beitrugen, informelle Räume und Kontaktmöglichkeiten zu schaffen. Sie wurden als alternative Mittlerinnen angesprochen und waren als solche informeller Teil des Verhandlungsgeschehens.

Der Westfälische Friedenskongress mag zwar zunächst als Männerwelt erscheinen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass es eine Welt war, in die Frauen eingebunden waren und in der sie eine wesentliche Rolle spielten auf dem mühsamen Weg der Friedensfindung.

Lena Oetzel

Anmerkungen

[1] Vgl. Heinz Duchhardt/Karl Georg Kaster (Hg.), „… zu einem stets währenden Gedächtnis“. Die Friedenssäle in Münster und Osnabrück und ihre Gesandtenporträts: anlässlich des Jubiläums 350 Jahre Westfälischer Frieden von Münster und Osnabrück im Jahre 1998, Bramsche 1996. Die Kupferstiche aus „Pacificatores Orbis Christiani“ (1697) sind online zugänglich: https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/portal/Internet/finde/langDatensatz.php?urlID=511&url_tabelle=tab_websegmente (19.04.2021).

[2] Einführend jüngst: Johannes Burkhardt, Der Krieg der Kriege. Eine neue Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, Stuttgart 2018; Georg Schmidt, Die Reiter der Apokalypse. Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, München 2018.

[3] Löben an Konrad von Burgsdorf, Osnabrück, den 18./28. April [1645], in: Otto Meinardus (Hg.), Protokolle und Relationen des Brandenburgischen Geheimen Rates aus der Zeit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Bd. 3: Vom Januar 1645 bis Ende August 1647, Osnabrück 1893, Nr. 59, S. 102.

[4] Vgl. Heide Wunder, Er ist die Sonn‘, sie ist der Mond. Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992.

[5] Corina Bastian u.a. (Hg.), Das Geschlecht der Diplomatie. Geschlechterrollen in den Außenbeziehungen vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert, Köln Weimar Wien 2014; Glenda Sluga/Carolyn James (Hg.), Women, diplomacy and international politics since 1500, London 2015; Hillard von Thiessen, Die Gender-Perspektive in der Geschichte der frühneuzeitlichen Außenbeziehungen: Frauen in einer Männerdomäne?, in: Karrieren in Preußen – Frauen in Männerdomänen, hrsg. v. Ingeborg Schnelling-Reinicke/Susanne Brockfeld, Berlin 2020, S. 291–304.

[6] Derek Croxton, Westphalia. The last Christian peace, Basingstoke 2013, S. 172.

[7] Vgl. Maria-Elisabeth Brunert, „… ich hatte ja auch luxaugen sowohl als andere“. Der Augenzeugenbericht eines Teilnehmers am Westfälischen Friedenskongress über den Wallfahrtsort Rulle, in: Osnabrücker Mitteilungen 106 (2001), S. 127–143, hier S. 142f.

[8] Vgl. 08.01.1646, 02.02.1646, in: Acta Pacis Westphalicae. Serie III Abteilung C: Diarien, Bd. 4: Diarium Lamberg 1645–1649 (APW III C 4), bearb. von Herta Hageneder, Münster 1986, online unter: https://apw.digitale-sammlungen.de/search/query.html?id=bsb00056736_00150_dok0548&titleAPW_str=APW%20III%20C%204&tree=003:003:007 (19.04.2021); Verhandlungen der Pommerschen Gesandten auf dem Westphälischen Friedenscongreß, in: Baltische Studien V.1 (1838), S. 1–130, hier S. 4f; Maria-Elisabeth Brunert, „… ich hatte ja auch luxaugen sowohl als andere“. Der Augenzeugenbericht eines Teilnehmers am Westfälischen Friedenskongress über den Wallfahrtsort Rulle, in: Osnabrücker Mitteilungen 106 (2001), S. 127–143, hier S. 142f.

[9] Vgl. 10.01.1646, in: Diarium Lamberg, APW III C 4.

[10] Vgl. z. B. Lena Oetzel, Die Leiden des alten T. Krankheit und Krankheitsdiskurse auf dem Westfälischen Friedenkongress, in: Warum Friedenschließen so schwer ist. Frühneuzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses, hrsg. v. Dorothée Goetze/Lena Oetzel, Münster 2019, S. 323–340, bes. S. 329–331.

[11] Maria-Elisabeth Brunert gibt mit ihrer Studie einen ersten wichtigen Einblick in die Bedeutung von Diplomatengattinnen für die Verhandlungen: Maria-Elisabeth Brunert, Interzession als Praktik. Zur Rolle von Diplomatengattinnen auf dem Westfälischen Friedenskongress, in: Warum Friedenschließen so schwer ist. Frühneuzeitliche Friedensfindung am Beispiel des Westfälischen Friedenskongresses, hrsg. v. Dorothée Goetze/Lena Oetzel, Münster 2019, S. 209–225.

Von |2021-06-15T18:33:04+01:0015. Mai 2021|ForschungsErgebnisse|0 Kommentare

Dr. Lena Oetzel ist PostDoc am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg und aktuell Elise Richter Fellow am Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraums an der ÖAW in Wien. Hier arbeitet sie an ihrem Habilitationsprojekt zu „Im Geflecht der Interessen. Kaiserliche und reichsständische Gesandte am Westfälischen Friedenskongress“. Sie twittert u.a. zu frühneuzeitlicher Diplomatie und Friedensfindung unter @LenaOetzel und @emdiplomacy.

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