Die Dienstmägde von Universitätsangehörigen lebten und arbeiteten im Hintergrund, oft hinterließen sie kaum Spuren. Doch eine Betrachtung ihrer Verlassenschaften ermöglicht nicht nur einen Einblick in ihre Lebenswelten im 18. Jahrhundert, sondern auch in das Verhältnis zu den Dienstgeber:innen.
Als die Dienstmagd Regina Holzbergerin am 30. Dezember 1770 in der Wiener Vorstadt Leopoldstadt starb, besaß sie nur wenige Habseligkeiten. Die meisten davon befanden sich in keinem guten Zustand. Jedoch hatte sie eine größere Summe an Bargeld angespart. Bezeugt durch den örtlichen Pfarrer, vermachte sie am Sterbebett dieses Vermögen ihrem Dienstgeber, Dr. Johann Prukner. Doch was sagt diese Handlung über ihre Lebensverhältnisse aus? Gab es möglicherweise keine näheren Verwandten? Antworten auf diese Fragen finden sich in der Verlassenschaftsabhandlung.
Verlassenschaften als Quellen

Die Verlassenschaftsabhandlung ist ein Verfahren, durch welches das Gericht die Vermögensverhältnisse einer verstorbenen Person klärte und die Vergabe des Erbes regelte. Bis zur josephinischen Justizreform unterlagen die Dienstbot:innen dem Gerichtsstand ihrer Dienstgeber:innen. 1 Die Dienstmägde in den Haushalten von Universitätsangehörigen fielen durch die Sondergerichtsbarkeit, die bis 1783 fortbestand, in den Zuständigkeitsbereich der Universität Wien.2
Die Anzahl der vorhandenen Dokumente in den Akten variiert stark. Eine Sperr-Relation, die am Anfang des Verfahrens verfasst wurde und die relevantesten Informationen über die Person, mögliche Erb:innen oder letzte Verfügungen enthält, sowie ein Nachlassinventar befinden sich in fast jeder Verlassenschaft. Das Inventar erfasste das Vermögen inklusive Schulden und Forderungen, dadurch ermöglicht es Rückschlüsse über die Handlungsmöglichkeiten, wie Matthias Donabaum in seinem Beitrag über Gläubigerinnen und Schuldnerinnen im 18. Jahrhundert zeigte. Ergänzend dazu können weitere Dokumente, wie beispielsweise Quittungen oder Schreiben vom Konsistorium, dem Gerichts- und Verwaltungsorgan der Universität, vorhanden sein.
„Professorenhaushalte“

Wie die täglichen Aufgaben für Dienstmägde wie Regina Holzbergerin aussahen, lässt sich über diese Quellen nur schwer erschließen. Auch sind „Professorenhaushalte“ in Österreich nur wenig erforscht; wesentlich ausgeprägter ist dieser Forschungsschwerpunkt in Deutschland. Silke Wagener zeigte für die Universität Göttingen auf, dass die Aufgaben einer Magd vielfältig waren, besonders dann, wenn es wenig Personal gab. Neben der Hausarbeit betreute die Magd die studentischen Untermieter und erledigte Botengänge, oft auch zur Universitätsbibliothek.3
In Wien und den Vorstädten arbeiteten laut Schätzungen am Ende des 18. Jahrhunderts ca. 40.000 Dienstbot:innen. Dies entsprach etwa 15 Prozent der gesamten Bevölkerung.4 Das Verhältnis zwischen den Dienstgeber:innen und ihrem Personal unterlag gesetzlichen Normen. Für Wien gab es ab 1784 die Stadtdienstbotenordnung. Gegen das „Entlaufen“ des Personals wurden Entlassungsscheine eingeführt, die sich später zu Zeugnissen entwickelten. Weiters waren Aspekte wie Löhne, Naturalbezüge, Verpflegung, Unterkunft und Kleidung gesetzlich geregelt.5 Wie die Situation von Dienstmägden in „Professorenhaushalten“ in Wien war, zeigen die Fallbeispiele von Regina Holzbergerin und drei weiterer Frauen.
Das Gewand ins Grab mitgegeben
Der Eintrag zum Tod der Regina Holzbergerin im Sterbebuch ist kurz. Notiert wurden Sterbeort, ihr Alter – 50 Jahre – und ihr Familienstand – ledig. Ein Herkunftsort oder eine mögliche Todesursache fehlen hingegen. Die Wohnung ihres Dienstgebers befand sich im ersten Stock des „Fellfärberischen“ Hauses in der Pfarrgasse. Nach seinen Angaben hinterließ sie eine alte Truhe, in der sich „schlechte Kleinigkeiten“ und ihre Kleidung befanden. Die Röcke, Mieder, Hemden und Schürzen waren samt der Truhe sieben Gulden wert. Zum Vergleich: Um diesen Betrag konnten im Jahr 1770 in Wien 168 Kilo Brot gekauft werden.6
Sie besaß jedoch mit 245 Gulden eine große Summe an Bargeld, welche Dr. Prukner sofort nach ihrem Tod veräußerte. In einem Schreiben an das Konsistorium wird angegeben, dass er damit die Begräbniskosten beglich und Messen für sie lesen ließ. Einen Teil ihres Gewandes aus der Truhe gab er ihr mit ins Grab, den Rest verschenkte er. Fast drei Monate nach ihrem Tod meldete eine Schwester von Regina Holzbergerin, die durch die beim Gericht erstattete Anzeige des Todesfalls von deren Ableben erfahren hatte, ihren Anspruch auf das Erbe an. Das Konsistorium ordnete daraufhin eine Inventur an. Den alleinigen Zuspruch für das Erbe erhielt dennoch, aufgrund der „mündlichen Disposition“ am Sterbebett, der Dienstgeber. Für die Schwester als nächste Verwandte blieb somit am Ende nichts übrig.7
Erbe vs. Kosten

Ähnlich wie Regina Holzbergerin verstarb auch Barbara Offenauerin mit einem Testament, jedoch in schriftlicher Form. Die wackelige Unterschrift am Ende zeigt allerdings, dass sie dieses nicht selbst verfasst hatte. Sie setzte ihre Mutter, die Bindermeisterin zu Enns war, als Universalerbin ein. Diese sollte all ihr „Hab und Gut ohne mindeste Ausnahme“ erhalten. Drei Tage danach, am 29. August 1771, verstarb Barbara im Krankenhaus der Elisabethinen an „Brand“. Kurz darauf stellte die dortige Oberin eine Quittung über 13 Gulden aus, welche vorerst die Dienstgeberin, die Witwe Elisabeth Prosky, deren Ehemann ein Doktor der Medizin gewesen war, beglich. Barbaras Offenauerins ehemaliger Dienstort war eine im dritten Stock gelegene Wohnung im Regensburger Hof am Lugeck.
Zwei Monate nach dem Tod der Barbara Offenauerin fand die Inventur statt. Ihr hinterlassenes „weniges Vermögen“ bestand aus einem ausständigen Lohn von vier Gulden sowie einer alten Truhe mit Kleidung. Die Garderobe ähnelte jener von Regina Holzbergerin, umfasste aber zudem Strümpfe, Hauben und ein Paar Schuhe. Ihre Kleidungsstücke wurden als „alt“ und „schlecht“, ihre Hemden sogar als „fünf alte zerrissene“ beschrieben. Am Ende ergab die Inventur 13 Gulden, gleich viel wie die Quittung. Ihre Dienstgeberin forderte diese Kosten zurück. Ihre Mutter beglich diese und erhielt im Gegenzug die Habseligkeiten ihrer Tochter.8
Unklare Verwandtschaftsverhältnisse

Wesentlich länger und komplizierter als die beiden vorherigen Verfahren gestaltete sich jenes von Ursula Händlin. Mit 27 Jahren verstarb auch sie im September 1777 im Krankenhaus der Elisabethinen. Gelebt hatte sie im ersten Stock des Hauses „Zum blauen Igel“ unter den Tuchlauben. Doktor Molitor Edler von Mühlfeld und seine Ehefrau übergaben bei der Erstellung der Sperr-Relation die Truhe mit ihren Habseligkeiten. Sie sagten aus, dass Ursula Händlin ursprünglich aus Regensburg in Bayern sei und, soweit ihnen bekannt, zwei Geschwister hatte: einen Bruder, der als Chirurg in Landschütz, heute Bernolákovo in der Slowakei, arbeitete, und eine 13-jährige Schwester, die ebenfalls als Dienstmagd in Wien tätig war.
Ihre Truhe, in der sich neben der Kleidung auch falsche Perlen und eine silberne Schnalle befanden, wurde um 47 Gulden verkauft. Dann geschah wohl zwei Jahre nichts, denn das nächste Dokument ist von 1780. In diesem wurde der Anwalt Sigmund von Baumgarten zum Kurator ernannt. Er sollte die Abhandlung verwalten und „schleunig“ vorantreiben. Grund für die Verzögerung und die Ernennung des Kurators war wohl die unklare Anzahl ihrer Geschwister. Erst ein Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Roding, welche einige Kilometer von Regensburg entfernt liegt, brachte Aufklärung. Urusla Händlin hatte zum Zeitpunkt ihres Todes sechs Geschwister und auch noch ein Erbe von ihren Eltern zur Verfügung. Durch dieses erhöhte sich ihr Nachlass auf 102 Gulden, wodurch die Geschwister je ca. 12 Gulden bekamen.9
Ein Erbe für die Dienstmagd
Doch Dienstmägde vererbten nicht nur, sie waren auch Begünstigte. Der Anwalt Dr. Anton von Hundeshagen hatte in seinem Testament von 1747 „seiner Dienst-Menschen“ Anna Michlin ein Legat von 125 Gulden vermacht. Dieses Erbe reichte jedoch noch viel weiter zurück, denn ursprünglich war Anna Michlin dieser Betrag von ihrer Tante vermacht worden. Anton von Hundeshagen hätte ihr dieses Erbe, es handelte sich vermutlich um einen offenen Schuldschein, ausbezahlen sollen. Er schaffte es jedoch nicht mehr vor seinem Tod. Über dreißig Jahre später, im Jänner 1779, wandte sich seine Witwe Elisabeth an das Konsistorium. Sie konnte das Legat nun bezahlen, allerdings habe sie trotz all ihres „Nachforschens“ Anna nicht ausfindig machen können.
Die Tatsache, dass Anna Michlin bereits seit 15 Jahren tot war, erschwerte zweifellos die Suche. Nach ihrem Dienstende war Anna zurück in ihre Heimatstadt Ebenfurth, heute Niederösterreich, gezogen und hatte einen Tischlermeister geheiratet. Die gemeinsame Tochter Katharina meldete deswegen ihren Anspruch an dem Erbe an und bekam dieses auch zugesprochen.10
Fazit
Die Verlassenschaften zeigen, wie sehr die Lebenssituationen von Dienstmägden variieren konnten. Es gab jedoch auch Gemeinsamkeiten: Zwei von ihnen starben im Krankenhaus der Elisabethinen, was vermutlich auf die Pflicht der Dienstgeber:innen zurückzuführen ist, sich im Krankheitsfall um ihr Personal zu kümmern. Die Vermögensverhältnisse waren zwar verschieden, doch wenn Dienstbotinnen in einer Anstellung waren, dann hinterließen sie meist eine Truhe mit Kleidung. Die Verlassenschaften geben somit einen Einblick in die Handlungsräume, aber auch die komplexen Beziehungsmuster und Konflikte rund um das Erbe.11
Abbildungen
Abb.1: Carl Schütz (Künstler), Artaria & Co. Verlag (Verlag), „Aussicht des Universitätsgebäudes des dasigen Platzes und der Kirche.“ / „Vue du Batiment, de la Place, et de L`Eglise de l`Université“ (1. Etat), 1790, Wien Museum Inv.-Nr. 64326, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/139628/).
Abb. 2: Johann Christian Brand (Künstler), Quirin Mark (Kupferstecher), „Zeichnungen nach dem gemeinen Volke besonders Der Kaufruf in Wien“: „Stubenmädgen. / Servante.“ [Stubenmädchen], 1775, Wien Museum Inv.-Nr. 95836/16, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/160476/).
Abb. 3: Salomon Kleiner (Zeichner), Karl Remshard (Rembshard) (Kupferstecher), Johann Andreas d. Ä. Pfeffel (Verleger), „Prospect des neuen Spitals des H. Johann von Nepomuck auf der Landstraß“ (Invalidenhaus und Elisabethinen-Kloster, Invalidenstraße, Landstraßer Hauptstraße), aus: Wahrhafte und genaue Abbildung (…), 3. Teil, Abb. 12 , 1733, Wien Museum Inv.-Nr. 105765/83, CC0 (https://sammlung.wienmuseum.at/objekt/181462/).
Abb. 4: Scan aus der Verlassenschaft von Ursula Händlin, Universitätsarchiv Wien, AT-UAW/CA VA Fasz. 97 Nr. 10.
Anmerkungen
- Michael Hochedlinger u. Irmgard Pangerl, „Mein letzter Wille“. Kulturhistorisch bedeutende Testamente und Verlassenschaftsabhandlungen in Wiener Archiven (16.–18. Jahrhundert), Wien 2004, S. 11.
- Ulrike Denk, Akademische Gerichtsbarkeit. Der Universitätsrektor als Richter 1365–1783, 11. Oktober 2017, in: https://geschichte.univie.ac.at/de/artikel/akademische-gerichtsbarkeit (Abgerufen am 1. November 2025).
- Silke Wagener, Pedelle, Mägde und Lakaien. Das Dienstpersonal an der Georg-August-Universität Göttingen 1737–1866 (Göttinger Universitätsschriften, Band 17), Göttingen 1996, S. 80–82.
- Hannes Stekl, Hausrechtliche Abhängigkeit in der industriellen Gesellschaft. Das häusliche Personal vom 18. bis ins 20 Jahrhundert, in: Wiener Geschichtsblätter, Verein für Geschichte der Stadt Wien, 30 (4), Wien 1975, S. 302–303.
- Hugo Morgenstern, Gesindewesen und Gesinderecht in Österreich, Teil 1: Geschichtlicher Überblick, Wien 1902, S. 13–36.
- Wien Geschichte Wiki, Abfrage Kaufkraft, in: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Spezial:Abfrage_ausf%C3%BChren/Abfrage_Kaufkraft?Abfrage_KaufkrKau%5BW%C3%A4hrung%5D=Gulden (Abgerufen am 12. November 2025).
- Pfarre Leopoldstadt, Sterbebuch 1763–1809, fol. 249; Verlassenschaft Regina Holzbergerin, Universitätsarchiv Wien, AT-UAW/CA VA Fasz. H Nr. 9.
- Pfarre St. Elisabeth Krankenhaus, Sterbebuch 1763–1771, fol. 61; Verlassenschaft Barbara Offenauerin, Universitätsarchiv Wien, AT-UAW/CA VA Fasz. 74 Nr. 4.
- Pfarre St. Elisabeth Krankenhaus, Sterbebuch 1771–1781, fol. 48; Verlassenschaft Ursula Händlin, Universitätsarchiv Wien, AT-UAW/CA VA Fasz. 97 Nr. 10.
- Verlassenschaft Anna Michlin, Universitätsarchiv Wien, AT-UAW/CA VA Fasz. M, Nr. 8.
- Dieser Blogbeitrag basiert auf meiner Seminararbeit: Das Erbe der „Doktoren Dienstmägde“, Eine Seminararbeit über die Verlassenschaften der Dienstmägde der Universitätsangehörigen der Universität Wien im 18. Jahrhundert, 2023.
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